„Das Werk zeigt eine beinahe naive Sicht, hat aber gedankliche Tiefe“

Von Lilo Ingenlath-Gegic | Westdeutsche Zeitung vom 21. Dezember 2024

Weihnachtsgeschichte „L’enfance du Christ“ von Hector Berlioz am 1. Weihnachtstag in der Historischen Stadthalle

WZ vom 21.12.2024 © Yannick Dietrich

Johannes Witt (r.) und Georg Leisse bereiten das Chorkonzert vor. Foto: Yannick Dietrich

Im 2. Chorkonzert des Sinfonieorchesters Wuppertal (SOW) wird am 25. Dezember eine selten aufgeführte Weihnachtsgeschichte erklingen: „L’enfance du Christ“ von Hector Berlioz. Das romantische Oratorium beginnt nach Jesu Geburt, erzählt von König Herodes, der Flucht der Heiligen Familie und ihrer Ankunft in Ägypten. In der festlichen Atmosphäre der Historischen Stadthalle singt der Chor der Konzertgesellschaft Wuppertal, die musikalische Leitung hat Johannes Witt, der seit vier Jahren als 1. Kapellmeister bei den Wuppertaler Bühnen engagiert ist.

Am Anfang von Berlioz’ weihnachtlichem Werk stand ein einfacher Choral. Das Publikum war nach der Uraufführung 1850 so begeistert, dass Berlioz eine Orchesterfuge und ein Tenorsolo ergänzte und schließlich seine „Trilogie sacree“ über Ereignisse aus der Kindheit Christi daraus entstehen ließ. Das leicht pastorale, sparsam mit Streichern und Holzbläsern orchestrierte Zentrum bettete der französische Komponist in zwei dramatischere Teile ein. Er erweiterte die Besetzung um Hörner, Posaunen, Fagotte, Pauken und Harfe und schuf wundervolle, opernhafte Klangmalereien.

Mit dieser musikalischen Rarität, die zuletzt im Dezember 1999 vom Sinfonieorchester Wuppertal (SOW) aufgeführt wurde, wird das Orchester zusammen mit dem Chor der Konzertgesellschaft für festlichen Musikgenuss sorgen. „Berlioz hat die drei Teile sehr klug zusammengefügt. Sie sind gleichgewichtig und passen hervorragend zueinander“, erklärt Witt, der in der Stadthalle viele Familienkonzerte und Sonderkonzerte dirigiert hat. „L’Enfance du Christ“ ist sein erstes Chorkonzert mit dem SOW.

Noch wird intensiv geprobt. Die 56 Musikerinnen und Musiker des Sinfonieorchesters arbeiteten anfangs ohne Sänger. Akribisch feilte Witt mit ihnen an den Orchesterstimmen. Am Samstag proben sie zum ersten Mal gemeinsam mit Chor und Solisten, am 23. Dezember ist Generalprobe in der Stadthalle. Johannes Witt mag Berlioz‘ Werk sehr. „Es ist die Geschichte der Heiligen Familie, aber es könnte jede andere Familie auf der Welt sein. Es ist spannend und aktuell“, sagt der Dirigent, der sich sehr auf das Werk freut. „Es ist ein Superkonzert für Weihnachten. Die Musik mit weichen, warmen Klängen und vielen schönen Zwischenfarben ist berührend, und es gibt ein fein und sehr zart spielendes Orchester.“

Musikalische Rarität und festlicher Musikgenuss

Auch Georg Leisse, seit 2016 Leiter des Chors der Konzertgesellschaft, meint, dass die Musik gut in diese Zeit passe und die Zuhörer erreichen wird. „Das Werk zeigt eine beinahe naive Sicht, hat aber gedankliche Tiefe“, sagt Leisse, der seinen Chor gut vorbereitet hat. „Wir haben im August begonnen und konnten viele Details intensiv üben“, erklärt er. Viele Passagen seien einstimmig, aber es gebe Dinge, die man intensiv habe üben müssen. „Der A-capella-Schluss ist eine Herausforderung und die Rezitative, die die Männerstimmen zu Beginn vierstimmig bewältigen müssen, sind nicht leicht“, sagt er.  Gesungen wird in deutscher Sprache.

Beim Konzert gibt Leisse seinen Chor gern in die Hände des erfahrenen Dirigenten Johannes Witt: „Ich kann ein Chorstück stimm- und gesangstechnisch vorbereiten. Die Gestaltung obliegt dem Dirigenten des Konzertabends.“ Fast 80 Choristen werden in guter stimmlicher Balance auf der Bühne stehen: 22 im Sopran, 22 im Alt, 15 Tenöre und 16 Bässe. Die Arbeit mit einem Laienchor sei nicht grundsätzlich anders als mit Profis, sagt Witt, „weil man auf die gleiche Weise an der Musik arbeitet.“ Ein erlesenes Solistenquartett aus Iris Marie Sojer (Mezzosopran), Dmitry Ivanchey (Tenor) und Eric Rousi (Bass) singt die Rollen von Maria, Joseph und Herodes, Bariton Nikola Diskid ist der Erzähler. „Das ist ein toller Cast“, sagt Witt, der alle vier Solisten aus der gemeinsamen Arbeit kennt.


Chorkonzert: „L’enfance du Christ“ von Hector Berlioz, das zweite Chorkonzert, wird aufgeführt am 25. Dezember, um 18 Uhr in der Historischen Stadthalle. Mitwirkende: Chor der Konzertgesellschaft Wuppertal, Sinfonieorchester, Gesangssolisten; Leitung: Johannes Witt; 90 Minuten, eine Pause, Tickets: KulturKarte, Kirchplatz 1, Ticket-Hotline; 0202 563 7666

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